Über 450 Jahre Astronomie in Jena

 

Dr. Reinhard E. Schielicke, Jena

 

Astronomie ist an der Jenaer Universität - als einziger in Mitteleuropa - seit ihrer Gründung 1558 bis heute ununterbrochen vertreten. 1598 hat Georg Lymnäus in einem Brief an Kepler sein Observatorium in Jena erwähnt und ihn um Austausch von Beobachtungsdaten gebeten. Die Astronomie in Jena erreichte einen ersten Höhepunkt mit dem Wirken Erhard Weigels, der sich als Polyhistor und barocker Erzvater der Frühaufklärung u.a. für die Einführung eines "Verbesserten Reichskalenders" in den protestantischen Reichsständen einsetzte. Seit der Einrichtung seines Observatoriums auf dem Turmgebäude des Collegium Jenense im Jahr 1657 sind die astronomischen Beobachtungsstätten in Jena bekannt. 1813 wurde die Astronomie in Jena institutionalisiert durch den von Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach initiierten Bau der Herzoglichen Sternwarte unter der Oberaufsicht Johann Wolfgang von Goethes im vormals Schillerschen Garten. Ernst Abbe, Direktor der Sternwarte von 1876 bis 1900, hat - aus der eigenen Tasche finanziert - den Sternwarten-Neubau errichtet, der noch heute den Kern des Institutsgebäudes bildet. Seine Erfahrungen mit der Beobachtungstechnik führten 1897 zur Gründung der Astro-Abteilung im Jenaer Zeiss-Werk. Diese Verbindung zwischen universitärer Lehre und Forschung mit der industriemäßigen Produktion astronomischer Beobachtungs- und Auswertetechnik stellt eine weitere Besonderheit der Jenaer Astronomiegeschichte dar. Sie erfuhr mit der Einrichtung des Tautenburger 2-m-Spiegelteleskops einen ihrer Höhepunkte.

 

Schließlich sei auch auf die Entwicklung des Zeiss-Planetariums hingewiesen. Abbes Nachfolger als Direktor der Universitäts-Sternwarte wurde Otto Knopf. Mit den Direktoren Heinrich Vogt und Heinrich Siedentopf (1927 bis 1945) etablierte sich die Astrophysik in Jena. Hermann Lambrecht, Direktor von 1945 bis 1969, festigte die Untersuchung der interstellaren Materie als Hauptforschungsgebiet und errichtete 1962 eine Beobachtungsstation außerhalb des Saaletals bei Großschwabhausen. Die Ergebnisse der Tätigkeit der Jenaer Universitäts-Sternwarte führten im Jahr 1992 zur Gründung einer Arbeitsgruppe der Max-Planck-Gesellschaft, in deren Folge die Anzahl der Mitarbeiter und damit die Leistungsfähigkeit des Instituts erheblich gesteigert werden konnte.

 

 

Erhard Weigel und die große Sonnenfinsternis vom 2./12. August 1654         

 

Dr. Klaus-Dieter Herbst, Jena

 

Das 17. Jahrhundert war reich an Höhepunkten in der astronomischen Forschung. Von den Historikern unbemerkt blieb dagegen die große mediale Wirkung der Sonnenfinsternis vom 2./12. August 1654. Auf den ersten Blick hin erscheint diese Finsternis eine wie viele andere davor und danach. Die damaligen Menschen verbanden aber mit der Ankündigung dieses Ereignisses in zahlreichen Flugblättern und in den Schreibkalendern die Erwartung des Weltendes (des Jüngsten Tages) in einer Weise, die sich in ihrer Dramatik von früheren Prognostiken zur Endzeiterwartung deutlich unterschied. Die Ursache waren die besonderen astrologischen Begleitumstände, die in dieser Tragweite sehr selten waren: die Finsternis fand im Tierkreiszeichen Löwe (die Sonne ist die astrologische Herrscherin dieses Zeichens) und gleichzeitig zwischen den Planeten Saturn und Mars, beides Planeten des gewaltsamen, Krieg und Unglück bedeutenden Eingriffs, statt. Hinzu kam die Nähe des Jahres 1656, das nach biblischer Zählung bedeutsam war, denn 1656 Jahre nach Erschaffung der Welt brach die Sintflut herein. Vor diesem Hintergrund verursachte das anstehende astronomische Ereignis Angst und Schrecken unter den Menschen.

 

Von dieser Seite der medialen Darstellung der Sonnenfinsternis von 1654 heben sich andere Darstellungen ab, die auf die rein astronomische Behandlung des Ereignisses abzielen. Hier spielt die Disputation De Eclipsibus, die am 1./11. August 1654 unter dem Vorsitz von Erhard Weigel durch Andreas Günther Seiffart an der Philosophischen Fakultät der Jenaer Universität gehalten wurde, eine herausragende Rolle. Es wurde der Verlauf der Finsternis auf der Basis der noch nicht allgemein akzeptierten Rudolphinischen Tafeln von Kepler berechnet. Neben dieser Kepler-Rezeption ist von Bedeutung, dass der beigegebene Kupferstich die älteste Finsterniskarte mit dem weltweiten Verlauf der Totalitätszone einer Finsternis enthält.

 

Im Vortrag werden die gedruckte Weigelsche Disputation vorgestellt und ihre Aussagen in den wissenschaftshistorischen Kontext der Finsternisse eingeordnet.

 

Literatur:

In dem Buch „Die Schreibkalender im Kontext der Frühaufklärung“ wird die Auseinandersetzung der Astronomen und der Kalendermacher über die astronomischen, astrologischen und theologischen Aspekte der Sonnenfinsternis von 1654 ausführlich dargestellt.

Klaus-Dieter Herbst: Die Schreibkalender im Kontext der Frühaufklärung. Jena: Verlag HKD 2010 (= Acta Calendariographica – Forschungsberichte, Bd. 2). ISBN978-3-941563-14-8; 45,00 EUR, 310 S.          

 

 

Zur Astronomie der Kreisgrabenanlage Pömmelte-Zackmünde

 

Mechthild Meinike, Planetarium Merseburg

 

Im Zeitraum 2005-2008 wurde südöstlich von Magdeburg eine komplexe archäologische Fundstelle ausgegraben. Eine große Kreisgrabenanlage, mehrere Häuser, Grabanlagen sowie interessante Stein- und Keramikfunde lassen auf einen zentralen rituellen Ort, der über längere Zeit genutzt wurde, schließen. Mittels der Fundkomplexe und 14C-Daten ließ sich der Nachweis führen, dass die Schnurkeramiker, die Glockenbecherleuchte und die Aunjetitzer Kultur (2800-1600 v. Ch.) das Areal in der Nähe der heutigen Dörfer Pömmelte und Zackmünde nutzten. Nach der Wiedererrichtung der Kreisgrabenanlage in Goseck als Sonnenobservatorium stellte sich die spannende Frage, ob die Graben- und Grubenstrukturen mit 3-fachem ringförmigem Woodhenge eine astronomische Bedeutung hatte. Auch die umgebende Topographie wurde in die Untersuchungen mit eingezogen.

 

 

Das Literarische in Keplers Denken

 

Dr. Laetitia Rimpau, Berlin

 

Der Humanist Johannes Kepler (1571-1630), Mathematiker, Astronom und Begründer der neuzeitlichen Naturwissenschaft, verstand sich auch als Dichter. In seiner Zeit am Prager Hof, nachdem er von Tycho Brahe die Beobachtungsdaten geerbt und die ersten beiden Planetengesetze formuliert hat, verfasst er das Somnium (1609), den literarischen Traum einer Mondreise. Seinen Hauptwerken stellt er kunstvolle Gedichte voran, zuletzt den Rudolfinischen Tafeln (1627) das über 400 Verse lange Idyllion.

 

Anders, als bislang angenommen (wenn in der Forschung überhaupt etwas zu Keplers Dichtung gesagt wird, dann nur unter der Rubrik „Gelegenheitsdichtung“), gibt Kepler in seinen literarischen Texten erhellende Einblicke in seine Wissenswerkstatt. Allegorisch verschlüsselt erzählt er, wie er zur Astronomie kam, welche Methoden er anwendet, warum die kopernikanische Lehre die ‚wahre’ sei. Im Medium der Literatur vermittelt und verteidigt Kepler neues Denken gegen den offiziellen Diskurs. Im Idyllion gelingt es ihm, unter den Augen der Zensur, seine Neue Astronomie innerhalb der Geschichte der Astronomie zu positionieren und die Anhänger des geozentrischen Weltbildes raffiniert zu unterlaufen.

 

 

Die Geschichte der Radioastronomie

 

Petra Mayer, Bonn

 

Die Zeitgeschichte der Radioastronomie beginnt mit James Clerk Maxwells (1831-1879) theoretischer Vorhersage Insbesondere aufgrund seiner Arbeiten zum experimentellen Nachweis elektromagnetischer Wellen. Die darauf folgende Entdeckung der Radiostrahlung im Jahr 1887 von Heinrich Rudolf Hertz setzte die Forschung der Radiostrahlung erst richtig in Gang. Letztendlich mussten noch viele weitere Jahre experimenteller Arbeiten vergehen. Im Jahr 1933 fand der amerikanische Telekommunikations-Ingenieur Karl Guthe Jansky (1905-1950) heraus, dass die Milchtrasse Radiostrahlung imitiere. Er richtete seine selbstgebaute Antenne zufällig in diese Region am Himmel.
Die Geschichte der Radioastronomie bis zum heutigen Zeitpunkt findet in meinem Vortrag Platz.

           

 

Giordano Bruno (1548-1600)

 

Regina Umland, Mannheim

 

17. Februar 1600: Giordano Bruno stirbt auf dem Scheiterhaufen mitten in Rom. Die Inquisition hatte ihn der Ketzerei und Magie für schuldig befunden. Erst im Jahre 2000 wurde seine Hinrichtung von Seiten der katholischen Kirche als Unrecht betrachtet. Er war Priester, Dichter und Naturphilosoph. Im Gedächtnis der Menschen blieb er eben durch die Verurteilung zum Tod auf dem Scheiterhaufen. Was aber war das Revolutionäre? Sicherlich seine Auffassung, dass Jesus nicht der Sohn Gottes sei. Aber auch seine Idee von einer unendlichen Welt, die mit ihren Auswirkungen dem damaligen Kosmos- und Glaubensbegriff total entgegensetzt war. Eine Fülle von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen formulierte er als Erster, ohne je ein Experiment durchgeführt zu haben. Der Vortrag gibt einen kurzen Überblick über seine Lebensstationen und widmet sich dann der Fragestellung: Was könnte heute die Botschaft von Giordano Bruno sein, gerade auch für die Astronomen?

                       

 

Hubble und die Klassifikation der Galaxien

 

Dr. Wolfgang Steinicke, Umkirch    

 

In den 1920er Jahren erweiterte der amerikanische Astronom Edwin Powell Hubble unser Verständnis der Galaxien durch die Einführung einer revolutionären Klassifikation. Bereits die Vorgeschichte – verbunden mit den Namen Herschel, Lord Rosse und Wolf – ist interessant. Bemerkenswert sind aber vor allem die Probleme, die Hubble bei der Vorstellung seiner neuen Ideen hatte.

 

Die Hubble-Klassifikation ist nach wie vor die Basis um die mannigfachen Formen und Strukturen der Galaxien zu ordnen. Sein berühmtes Diagramm in Form einer Stimmgabel („tuning-fork“) präsentierte er erstmals 1936 in seinem Buch „The Realm of the Nebulae“. Es zeigt die drei Grundtypen: elliptische Galaxien (E), normale Spiralgalaxien (S) und Balkenspiralen (SB). Allan Sandage zelebrierte die Klassifikation 1961 im epochalen Hubble Atlas of Galaxies. Seitdem gab es diverse Revisionen.

 

 

Astronomische Hintergründe des Weltuntergangs am 21.12.2012

 

Dr. Joachim W. Ekrutt, Hamburg

 

Natürlich wird die Welt im Dezember nicht untergehen. Lediglich ein Zyklus im Kalender der Mayas endet und soll den Ländern Mexiko, Guatemala und Honduras, in denen die antike Hochkultur der Mayas einst blühte, einen Besucheransturm ungeahnten Ausmaßes bescheren – erhofft oder befürchtet jedenfalls das mexikanische Tourismusministerium.

 

Nicht hinterfragt wird bei dieser in gewissen Kreisen schon fast hysterischen Reaktion und Erwartung das gregorianische Datum, das dem Zyklusende entsprechen soll. Dies ist nämlich überhaupt nicht sicher und sehr umstritten. Seine Ermittlung, die sogenannte Korrelation zwischen dem Maya und dem gregorianischen Kalender, ist eine spannende Detektivarbeit, die archäologische, historische und astronomische Wissensbereiche berührt.

 

Wir werden den Kalender der Mayas kurz darstellen, hier vor allem die einzigartige Periodenzählung, die genau der Julianischen Tageszählung entspricht – aber mit anderem Nullpunkt, den zu finden das entscheidende Problem ist. Die Astronomie könnte das Problem auf einen Schlag lösen - warum es trotzdem bisher nicht gelungen ist, werden wir erörtern und dabei auch einige andere „Weltuntergangsdaten“ berechnen. Natürlich werden auch Aufnahmen der beeindruckenden Bauwerke der Mayas nicht fehlen.