Veranstaltungen am Freitag, 30.10.2009

Ausstellung "Kosmos im Wandel"

Thematisiert werden Meilensteine der Astronomie vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Das inhaltliche Konzept hat Prof. Duerbeck entwickelt. Die Ausstellung wird offiziell am Sonntag, den 8. November eröffnet.

Cassini - Der Ring

Prof. Dr. Walter Oberschelp

Es handelt sich um eine „Vorstellung“ (Performance) im Sinne dieses Wortes, d. h. um einen Dialog als veranschaulichendes „Lehrstück“. Die Personen, von denen einige fiktiv sind, führen ein Gespräch, das vom Kontext her möglich, aber so nicht durch Quellen belegt ist. Eine Reihe von Anspielungen bezieht sich auf historisch erwiesene Fakten (Fußnoten!), manches andere Eingestreute hält keiner historischen Kritik stand.
 Im Stück wird eine Fokussierung auf den Zeitpunkt 1676 vorgenommen, der wenigen Leuten etwas sagt, der aber im Schnitt vieler wissenschaftlicher Entdeckungen und politischer Ereignisse liegt. Unser Stück hat insofern eng mit dem Jahr der Astronomie 2009 zu tun, als vom Hauptgegenstand der Diskussion, dem Ring des Planeten Saturn, vor 350 Jahren, also 1659, durch Christian Huygens erstmals der Schleier gelüftet worden.
Zum Inhalt: Der Direktor der Pariser Sternwarte G.D. Cassini präsentiert 1676 einigen Hofdamen des Sonnenkönigs Louis XIV und anderen Wissenschaftlern seine Entdeckung der großen Lücke im Saturnring. Bei dem (fiktiven) Gespräch  kommt es zu einem Eklat mit dem anwesenden Teleskop-Bauer G. Campani, der ebenfalls die Priorität beansprucht. Das folgende Gespräch kreist um einige der wichtigsten astronomischen Entdeckungen des 17. Jahrhunderts und gibt darüber hinaus Einblicke in die Kultur dieser Zeit. Gesprächsteilnehmer ist auch C. Huygens, der 1659, also vor 350 Jahren, das System des Saturn erstmals korrekt erklärte.

  

Vorträge am Samstag, 31.10.2009, ab 10:00

Argelander und die Bestimmung der ersten Sternentfernungen

Dr. Michael Geffert

Mit dem Namen des  Bonner Astronom F.W.A. Argelander verbindet sich das erste große Sternverzeichnis der Neuzeit, die „Bonner Durchmusterung“, und bahnbrechende Untersuchungen von variablen Sternen. Argelander und seine Mitarbeiter waren aber auch an der Messung der ersten Sternentfernungen beteiligt. Diese fundamentalen Messungen wurden an dem Bonner Heliometer ausgeführt, das Argelander nach dem Vorbild des Gerätes seines Lehrers Bessel bauen ließ.

  

Nebel in der Bonner Durchmusterung

Dr. Wolfgang Steinicke

Schönfeld gehörte Mitte des 19. Jahrhunderts zu den eifrigsten Beobachtern von Nebeln. Sein Lehrmeister war Argelander an der Bonner Sternwarte. Dort war er maßgeblich an der Erstellung der monumentalen Bonner Durchmusterung beteiligt. Bei den mit einem bescheidenen 76 mm-Kometensucher angestellten Beobachtungen fanden sich auch eine ganze Reihe (meist bekannter) Nebel. Einige, wie etwa NGC 1333 im Perseus, haben bemerkenswerte Verwirrung gestiftet.

  

Von Argelander bis zum Argelander-Institut - Bonner Astronomen auf den Spuren der Milchstraße

Prof. Dr. Wilhelm Seggewiss

 
Als Galileo Galilei vor 400 Jahren sein Teleskop zum erstenmal auf den Himmel richtete, war er begeistert vom Anblick der Milchstraße: Nicht die Milch der Göttermutter Hera, nicht der Weg der Toten ins Jenseits, nein, Galilei sah „eine Ansammlung zahlloser, haufenförmig angeordneter Sterne in gewaltiger Menge“.
Als fast 200 später im Jahre 1818 die „Preußische Rhein-Universität“ in Bonn gegründet wurde, gab es unter den 27 Ordinariaten auch einen Lehrstuhl für Astronomie. Friedrich Wilhelm August Argelander, Direktor der neuen Sternwarte von 1836 bis 1875, unternahm es, Galileis „grandissimo numero” Stern für Stern zu beobachten, Position und Helligkeit zu katalogisieren und in Stein zu meißeln, insgesamt 325.000 Sterne. Argelanders Nachfolger legten weitere Grundsteine zur Erforschung der Galaxis: einerseits photographische Aufnahmen von offenen und kugelförmigen Sternen zum anderen den Ansatz zur Bestimmung der absoluten Sternhelligkeiten durch Analyse von Sternspektren.
Den Wirren des Krieges folgte in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts ein doppelter Aufbruch: Die Bonner Sternwarte erhielt eine Außenstation mit leistungsfähigen Teleskopen auf dem Hohen List in der Eifel und auf dem Stockert bei Münstereifel wurde eines der ersten größeren Radioteleskope errichtet. Ein neues Institut für Radioastronomie, aus dem bald auch das Max-Planck-Institut mit dem 100 m-Teleskop hervorging, folgte. Ein Schwerpunkt war wiederum die Enträtselung der Milchstraße, nun aber des staub- und gasförmigen Anteils in der Ebene und in rasanten Halowolken. Es wurde aber auch überfällig, die Beobachtung der Himmelsobjekte in unterschiedlichen Spektralbereichen und die Trennung von Beobachtungen und deren Interpretation nicht mehr auf mehrere Institute zu verteilen, sondern zu einer Forschungs- und Lehranstalt zusammenzuführen. Die Findung eines Namens für den Start ins 3. Jahrtausend war nicht schwierig: Argelander-Institut für Astronomie AIfA!

  

Aus der Geschichte der Sternwarte zu Kiel, 1770–1950

Klaus-Jochen Stepputat

Eine Übersicht zur Gesamtgeschichte mit einer Vertiefung über das welt-zweit/drittgrößte Teleskop seiner Zeit, das der Kieler Physik-Professor Johann Gottlieb Friedrich Schrader hier in Kiel-Garden 1793 sich baute. Eine bizarre Kreuzung aus Bockwindmühle, Hafenkran und Sternwarte. Der Spiegel hatte 27 Fuß (7,5 m) Brennweite. Gegenüber den Herschelschen und Schroeterschen Konstruktionen hatte es den Vorteil, dass es ohne Assistenten auskam, der Beobachter konnte per Zahntrieben die 120-Zentner-Montierung vollständig und alleine nachführen (ähnlich, wie die holländischen Windmühlen).
Leider war Schrader neben seiner Lehrtätigkeit nur Fernrohr-Konstrukteur und Bastler (er lieferte auch die Schroeterschen Spiegel), aber nicht Beobachter. So wurde der „Coloß“ mit seiner Berufung nach St. Petersburg 1794 leider wieder abgebaut - über seinen Verbleib ist nichts bekannt.

 

Die Sternwarte Pulkowo und die Dynastie der Astronomenfamilie Struve

Dr. Volker Witt

Die vor 170 Jahren zu Pulkowo bei Sankt Petersburg gegründete Nikolai-Hauptsternwarte war im 19. Jahrhundert eines der führenden astronomischen Observatorien. Man sprach von der „astronomischen Hauptstadt der Welt“. Ihr Begründer und erster Direktor war Wilhelm Struve, dessen Name für vier Generationen berühmter Astronomen steht. Im 20. Jahrhundert musste die Sternwarte als Folge der Oktoberrevolution 1917 und während des stalinistischen Terrors der 30er Jahre schwere Schicksalsschläge hinnehmen. Die mehr als zwei Jahre dauernde Belagerung Leningrads durch deutsche Truppen im 2. Weltkrieg endete mit der völligen Zerstörung der Sternwarte. Nach ihrem originalgetreuen Wiederaufbau Anfang der 50er Jahre war die Zukunft der Sternwarte durch den Zerfall der Sowjetunion aufs Neue bedroht.

 

Motivkonstellationen von Populärastronomen bis 1935

Ben Mirwald

Im späten 19. Jahrhundert war das Interesse der breiten Allgemeinheit an Astronomie groß: Nicht nur Wilhelm Foerster berichtet aus der Arbeit der Berliner Sternwarte, dass diese, wenn sie öffentliche Führungen anbot, schnell überlaufen war. Auch unter anderen Astronomen gab es populäre Bemühungen, so etwa Bessel, Klein, Mädler oder Wolf. Astronomie war in populären Zeitschriften wie der „Urania“ oder der „Gartenlaube“ stark vertreten. Nur wenig früher als bei der Gründung der ersten, explizit für Populärastronomie errichteten Volkssternwarten, kommen in Deutschland Ende des 19. Jahrhunderts auch spezielle populär-astronomische Zeitschriften heraus. Die sogenannte „volkstümliche Astronomie“ wird kommerzialisiert und institutionalisiert.
Allerdings ließ bestimmt nicht nur die Notwendigkeit, sich seinen Lebensunterhalt zu sichern, Akteure mit ganz verschiedenen Biographien in den Dienst der Göttin Urania sowie der vielen nach ihr benannten Einrichtungen treten. Dann nämlich ließe sich schwerlich erklären, warum die Arbeit von Institutionen wie der Berliner Urania trotz tiefroter Zahlen weiterlief, warum selbst in der Wirtschaftskrise von 1929-32 noch Volkssternwarten mit öffentlicher und privater Unterstützung entstanden und warum vielerorts auch Schulsternwarten ihre Pforten für die Allgemeinheit öffneten.
In diesem Vortrag soll es also speziell um die sozialen und inhaltlichen Motive der Populärastronomen gehen. Denn die Populärastronomie eröffnete einen neuen Bildungsraum in der Gesellschaft, der durchlässiger war als die Universität, seinen Akteuren Selbstinszenierung ermöglichte, auch Frauen aufnahm, demokratische Forderungen nach Teilhabe an Wissenschaft erfüllte und überdies unterhaltsam zu sein versprach.
Der Vortrag kann auch als Grundlage für eine Diskussion darüber, ob heute bei Aktiven aus Volkssternwarten ähnliche Motive am Werk sind, dienen.

 

Astronomenalltag 1867-1882 im Spiegel der Briefe von Winnecke an Schönfeld

Prof. Dr. Hilmar Duerbeck

Kürzlich wurden große Teile des Schönfeldschen Briefwechsels im Keller des Argelander-Instituts aufgefunden; nach Sortierung sollen sie der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek Bonn übergeben werden. Besonders interessant sind die Briefe von Winnecke an Schönfeld, die sich beide als Argelander-Schüler in Bonn befreundet hatten. Zu Beginn des Briefwechsels war Winnecke Privatastronom in Karlsruhe, Schönfeld Direktor der kleinen Mannheimer Sternwarte, am Ende Winnecke Direktor der Straßburger Sternwarte und Schönfeld Direktor in Bonn. Während in den ersten Jahren sich die Korrespondenz besonders mit veränderlichen Sternen beschäftigt, wurde in späteren Jahren vor allem die Herausgabe der Vierteljahrsschrift der Astronomischen Gesellschaft thematisiert. Hierbei finden sich oft interessante Einblicke in das tägliche Leben und Arbeiten, wie auch über den üblichen Klatsch in Kollegenkreisen.

 

Via Nubila - am Grund des Himmels. Johann Georg Hagen und die Kosmischen Wolken

Arndt Latußeck

Als der Leiter der Vatikansternwarte, Johann Georg Hagen, 1920 erstmals über seine Entdeckung extrem ausgedehnter „dunkler Wolken“ abseits der Milchstraße publizierte, die er durch Jahre lange Beobachtungen am Teleskop gemacht zu haben glaubte, war die Verwunderung groß: Sie passten überhaupt nicht zu den zu jener Zeit aktuell diskutierten Vorstellungen vom Aufbau des Universums, denn sie zeigten sich hauptsächlich abseits der Milchstraße. Insbesondere ließen sie sich auf keiner einzigen der bereits zahlreich existierenden Fotografien des Himmels nachweisen, die ansonsten bereits viel mehr zeigten, als der Mensch mit eigenen Augen am Teleskop erkennen konnte. Doch Hagen war überzeugt: Seine Beobachtungen sind real! Mit dieser Ansicht stand Hagen jedoch weitgehend allein, und es ist ausschließlich seiner tiefen Überzeugung für die Richtigkeit des Gesehenen und seinem beeindruckenden Arbeitseifer geschuldet, dass er im Alter von weit über 70 Jahren noch das Mammutprojekt einer visuellen Himmelsdurchmusterung nach diesen Kosmischen Wolken am 16-zölligen Refraktor der Vatikansternwarte startete. Nur wenige Astronomen unterstützten ihm auf seinem Weg; selbst konstruktive Kritik war selten. Erst nach Hagens Tod wandelte sich die vorherrschende Meinung gegenüber den frühen Jahren zunehmend, schließlich war man in Deutschland, aber auch darüber hinaus, bereit, die Hagenschen Kosmischen Wolken als reale Phänomene anzuerkennen. Der Ausbruch des Krieges beendete abrupt alle Forschungen an den Kosmischen Wolken, die nie wieder das Vorkriegsniveau erreichen sollten.